Herkunft

Fadenspiele

Wo und wann Fadenspiele entstanden sind lässt sich nicht genau sagen. Sie haben sich unabhängig voneinander auf jedem Kontinent entwickelt – und das schon vor vielen Hundert oder tausend Jahren. Viele Fadenspielfiguren sind von den Aborigines, den Indianern, afrikanischen Stämmen, den Inuit und von vielen Südsee-Inseln bekannt.

Heraklas Plinthios Brokhos Jaw Sling

Seit der Erfindung einer Schnur - zum Beispiel aus Pflanzenfasern, Tiersehnen oder sogar aus Menschenhaar geflochten - wurde mit dieser Schnur nicht nur etwas festgebunden sondern sicher auch „gespielt“. So entstanden mehr oder weniger zufällig erste Figuren, die etwas darstellten. Oder es entstanden erste Fadentricks, wenn sich Knoten doch wieder lösen. Im Laufe vieler Jahrhunderte wurden die Fadenverschlingungen immer komplexer und haben in unterschiedlichen Gegenden auch bestimmte Eigenarten des Bewegungsablaufes hervorgebracht. Der „Navaho-Sprung“  zum Beispiel ist eine bestimmte Manipulation der Fadenschlaufen, die bei den Navaho-Indianer häufig anzutreffen ist.

Fadenspielfiguren wurden jahrhundertelang von Generation zu Generation weitergegeben. Die Figuren sind Abbildungen aus dem Leben, aus dem kulturellen Alltag der Fadenspieler. Sie stellen Pflanzen, Tiere oder Werkzeuge dar. Die Fadenfiguren unterstützten die Kommunikation. Erklärungen etwa zum „Fische fangen“ wurden mit Figuren wie „Kanu“, „Fischspeer“ oder „Fisch“ ergänzt.

Fadenspiele

Figurenfolgen berichten ganze Geschichten oder bestimmte Situationen, mache Figuren sind Erinnerung und Würdigung wichtiger Personen. Die „Maske“, der „Frosch“, der „Sternenhimmel“ oder „Die Geburt eines Kindes“ sind solche Bezeichnungen. Sie zeigen viel über das kulturelle Umfeld und die Lebensweise der „Fadenspieler“.

Fadenspielfiguren wurden zu ganz unterschiedlichen Zwecken und Anlässen erstellt. Manchmal war es „nur“ ein Spiel als Zeitvertreib oder um die Geschicklichkeit zu fördern. Andernorts waren Fadenspiele strikt geregelt. So gab es bei den Yirrkala - Aborigines  „Frauenfiguren“ die nur von Mutter zu Tochter weitergegeben werden durften. Und es gab „Männerfiguren“, die nur von Vater zu Sohn gezeigt wurden. Abgucken war nicht gestattet und hatte Konsequenzen zur Folge. Die Navaho-Indianer durften nur im Winter Fadenspiele machen. Bei den Bewohnern der Hudson-Bay durften nur die Mädchen spielen. Bei den Jungen befürchtete man, sie würden sich später bei der Jagd in den Harpunenleinen verfangen. Auf der Insel Nauru (Mikronesien) gab es zweimal im Jahr Wettbewerbe, bei denen junge Männer neu ausgedachte Fadenfiguren verdeckt spielten und das Ergebnis präsentierten. Die anderen Mitstreiter mussten nun in kürzester Zeit diese Fadenfigur nachmachen.

Bei einigen Völkern wurden Fadenspiele auch von Medizinmännern zur Heilung verwendet. Bei anderen Völkern wurden nach dem Tod von den Hinterbliebenen bestimmte Fadenfiguren erstellt, damit der Verstorbene in das Land der Ahnen kommt.

Mit der Zeit der Kolonialisierung wurden die Fadenspiele weniger. Die Missionare sahen darin oft Aberglauben, die Wertschätzung der Fadenspiele wurde immer geringer. Glücklicherweise gab es doch einige Wissenschaftler - Ethnologen und Anthropologen - die Fadenspiele entdeckten und sie aufschrieben. Vorreiter war hier Franz Boas, der ab 1888 die komplizierte Technik der Fadenspiele dokumentiert. In den folgenden 100 Jahren gab es viele weitere Wissenschaftler, die sich diesem besonderen Kulturgut annahmen. Manchmal sind nur die fertigen Fadenfiguren erhalten, manchmal auch deren teils sehr komplizierte Herstellung.

Somit sind vermutlich ein paar Tausend Fadenspielfiguren für die Nachwelt erhalten geblieben. Wie viele Figuren zwischenzeitlich verloren gingen, kann man nur ahnen.

Die Lebensweise der Ureinwohner auf den verschiedenen Kontinenten hat sich grundlegend verändert. Viele traditionelle Ausdrucksformen wie Tänze, Geschichten erzählen oder Fadenspiele, die sich über Jahrhunderte gehalten haben, gibt es nicht mehr. Deswegen ist es umso wichtiger, dieses faszinierende Kulturgut „Fadenspiele“ zu erhalten und weiter zu geben.

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